Lichenologie

Lichenologie ist der Fachbegriff für Flechtenkunde; somit ist ein Lichenologe ein Wissenschaftler, der sich mit der Erforschung von Flechten beschäftigt. Flechten sind symbiotische Lebewesenkomplexe aus Pilzen und Organismen, die Photosynthese betreiben. Demzufolge ist der Lichenologe sowohl Mykologe als auch Botaniker. Die Lichenologie berührt heute viele weitere bedeutende Forschungszweige wie beispielsweise Ökologie, Ökophysiologie, Stoffwechselphysiologie der Symbionten und Chemie der Inhaltsstoffe. Lichenologie gibt es nicht als eigenen Studiengang in Deutschland. Die Lichenologie ist ein Teilgebiet meist eines Biologie- oder Mikrobiologie-Studiums.

Geschichte der Lichenologie

Die erste Beschreibung von Flechten geht auf den griechischen Botaniker Theophrastos zurück. Flechten wurden aber noch lange Zeit später nicht als eigenständige Organismen erkannt. Die wissenschaftliche Lichenologie begründete Anfang des 19. Jahrhunderts Erik Acharius, indem er ein System erstellte und die 906 ihm bekannten Flechtenarten vorstellte. Das Bauprinzip von Flechten wurde erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts verstanden.

Die Symbiose von Pilzen und Photosynthese-betreibenden Bakterien ist sehr komplex und das Feld der verschiedenen Arten groß. Etwa 25.000 Arten gibt es weltweit, davon etwa 2.000 in Mitteleuropa. Bisher konnten erst die Photobionten-Arten von weniger als 2 % der Flechtenarten identifiziert werden.

Bedeutung der Lichenologie

In der Ökologie spielen Flechten eine Rolle als Bioindikator, da viele Arten sehr empfindlich auf Standortveränderungen reagieren. So ist eine Flechtenarmut bis hin zur Flechtenwüste häufig ein Hinweis auf eine Verschmutzung der Luft etwa durch Stickoxide, Stäube und Schwermetalle. Bei einer Untersuchung in Norditalien korrelierte die geringe Artenvielfalt unter den Flechten mit der Zahl der Fälle von Lungenkrebs.

Für die Medizin ist die Lichenologie noch von weiterer Bedeutung: mehrere Flechtenarten besitzen antibiotische Wirkung und wurden bereits im alten Ägypten zur Mumifizierung von Leichen eingesetzt. Eine Isländisch Moos genannte Strauchflechte wird auch heute noch als Mittel gegen Husten verwendet.

Wie bestimmt man Flechten?

Während es Flechten von bis zu 1 m Länge gibt (Bartflechten), so sind doch die meisten Flechten klein, teils unter 1 mm groß. Zur Grundausstattung eines Lichenologen zählt daher eine Lupe mit 10-facher Vergrößerung. Zum Sammeln von Proben sollten zusätzlich ein Spachtel, ein Messer, ein Sortierkasten und Verpackungsmaterial wie Zeitungsseiten oder Butterbrottüten mitgeführt werden.

Um Farbreaktionen bestimmter Flechteninhaltsstoffe beobachten zu können, zählen zur Ausrüstung eines Lichenologen außerdem Tropffläschchen mit Reagenzien für den so genannten C-P-K-Tüpfeltest. Die Fläschchen enthalten Natriumhypochlorit, para-Phenylendiaminlösung oder Kalilauge, die in winzigen Tröpfchen auf die Flechte aufgebracht werden können.

Zum Präparieren gesammelter Flechten eignet sich ein Stereo-Mikroskop mit 10- bis 60-facher Vergrößerung, für Beobachtungen ein Mikroskop mit einäugigem Einblick und 40- bis 1000-facher Vergrößerung.

Anspruchsvollere Flechtenbestimmungen arbeiten mit der Untersuchung der Inhaltsstoffe und der molekulargenetischen Merkmale der Flechten. So können auch Sippen eindeutig bestimmt bzw. voneinander abgegrenzt werden.